Aus dem Pressetext der beauftragenden Institution DOCK 20 – Kunstraum und Sammlung Hollenstein:
DOCK 20 – Kunstraum und Sammlung Hollenstein wurde eingeladen, auf der Art Bodensee 2018 als nicht-kommerzielle Institution eine prominente Fläche in der Halle 11 zu bespielen. Gemeinsam mit der Künstlerin Selina Reiterer und der Gestalterin Daniela Fetz wurde dafür eine textile Installation erarbeitet, die spezifisch auf die räumlichen und institutionellen Gegebenheiten der Messe reagiert.
Ausgangspunkt von „Epoca 7“ waren Recherchen in Material- und Stoffarchiven in Lustenauer Stickereibetrieben: „Bei unserer Recherche haben wir nach einer Möglichkeit gesucht, dem linearen, rasterartigen Modus von klassischen Stickereimustern entgegenzuwirken und in den Archiven nach etwas Organischem, Ungeordnetem gestöbert. Nach etwas, das in Bewegung scheint und Chaos bzw. Fehler zulässt. Wir haben uns die Frage gestellt, wieviel Einfluss man hat auf diesen optimierten, standardisierten Prozess der Textilherstellung und ob man ‚alte Muster‘ durchbrechen kann.“ (Reiterer/Fetz)
Dabei stießen die beiden unter anderem auf das Stickmuster einer Stickmaschine der Schweizer Firma Saurer mit dem Namen „Epoca 7“, ein hochmodernes Sticksystem, das mit höchster Produktivität, einfacher Bedienbarkeit und umfangreichen Standardeinstellungen wirbt: „Experimentieren Sie! Optimieren Sie Ihre Produktivität und lassen Sie Ihrer Kreativität freien Lauf!“ Das (künstlerische) Interesse von Reiterer und Fetz an Materialität, Farbe und Textur von Textilien trifft in Stickmustern wie diesen auf die Anforderungen einer globalisierten Ökonomie.
Standardisierung und Optimierung von kreativen Produktionsprozessen im Spannungsfeld von kritischdiskursiver Kunst und ökonomischer Verwertbarkeit sind dabei Themen, die sich bruchlos auf das System Kunstmesse übertragen lassen. Zweiter Ausgangspunkt für die Installation von Reiterer/Fetz ist deshalb die spezifische Architektur einer solchen Messe: Die architektonische Kleinteiligkeit einzelner Kojen innerhalb einer großen Halle, die Unterteilung in standardisierte Raumzonen, die temporär zu individuellen und im Idealfall emotional ansprechenden Erlebnisräumen mit Wiedererkennungswert werden.
Selina Reiterer und Daniela Fetz arbeiten mit diesen Mechanismen und entwerfen inmitten der großen Messehalle einen begehbaren, nicht kommerziellen Bereich, der mit abgehängten Textilbahnen und Stoffen unterschiedliche Räume öffnet, die im diametralen Gegensatz zur standardisierten Architektur rundherum stehen. Transparente Stoffbahnen, großformatig farbig bedruckt und teilweise bestickt, schieben sich hinter- und übereinander, öffnen und schließen sich zu Nischen und Gängen; die unterschiedlichen Farben legen sich in Schichten, fragile Metallrahmen führen die Bahnen und fixieren sie in scheinbarer Bewegung.
Immer wieder ergeben sich neue Blickachsen und Farbkompositionen und verdichten sich zu einem ständig sich verschiebenden, flexiblen, höchst sensitiven Raumgefühl zwischen Intimität und Präsentation. „Wir arbeiten mit Formen und Farben, die im Fluss und in Bewegung erscheinen sollen. Die Farben der Stoffbahnen werden mit Übergängen und Verläufen spielen. Die Aufteilung und Anordnung der Farben sollen verschiedene Räume und Atmosphären schaffen. Die Stickereien bilden zusätzliche Fixpunkte auf den verschiedenen Ebenen und veredeln die textile Landschaft.“ (Reiterer/Fetz)